Wenn Deutschland heute die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, dann sind damit hohe Erwartungen verbunden – auch und insbesondere, wenn es um Gleichstellungspolitik geht. Die Europäische Kommission hat sich für die kommenden fünf Jahre auf eine neue Strategie der Gleichstellung der Geschlechter verständigt, in der es um ein Leben frei von Gewalt und Stereotypen geht, um den Abbau der Entgeltlücke, die faire Verteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern, eine ausgeglichene Vertretung von Frauen und Männern in politischen wie öffentlichen Entscheidungsgremien, den Schutz geflüchteter Frauen und Mädchen und die Anwendung von Gender Mainstreaming als Prinzip aller Politik und Maßnahmen.
Geschlechteraspekte sind elementar beim Krisenmanagement!
Hehre Ziele, weit weg von Bremen? Und in Zeiten von Corona und dem aktuell alle Kräfte bindenden Krisenmanagement eher nachgeordnet? Nein und Nein! Die Corona-Krise, darauf weisen Frauenverbände und Expertinnen seit Monaten hin, verschärft die Geschlechterungerechtigkeit nicht nur in unserem Land, Retraditionalisierung ist hier das Stichwort: Jobs im Pflege- und Dienstleistungssektor, die nun als systemrelevant gelten, sind mehrheitlich von Frauen besetzt und schlecht bezahlt. Frauen bleiben zuhause, wuppen den Großteil der Betreuungsarbeit und stecken zurück, was Beruf und Karriere angeht. Häusliche Gewalt nimmt zu. „Die Krise bürdet Frauen eine überproportionale Last auf“, erklärt der Deutsche Frauenrat und bringt es so auf den Punkt. Umso wichtiger, dass die deutsche EU-Ratspräsidentschaft die neu bzw. wieder gesetzten Gleichstellungsziele als elementar zum Krisenmanagement gehörig versteht und verfolgt.
Rückenwind aus Europa kann Bremen nur helfen
Dasselbe gilt für Bremen. Unser Bundesland und die Europäische Union unterhalten vielfache Bande, die Gleichstellung von Lebensverhältnissen – Kernziel der EU – leitet eine Vielzahl von Fördermitteln und –programmen in unsere beiden Städte. Eine gleichberechtigte Teilhabe der Geschlechter steht auch in Bremen im Fokus der Umsetzung von Vorgaben und Programmen. Die Strukturindikatoren belegen, dass hier große Anstrengungen nötig sind. Das gilt jetzt, unter Corona, erst recht. Nicht umsonst hat der Senat dem Thema Geschlechtergerechtigkeit im Bremen-Fonds, dem 1,2 Milliarden schweren Programm zur Abfederung der Pandemie-Folgen, großes Gewicht beigemessen. Diesen Vorsatz mit Leben zu füllen und in der konkreten Umsetzung wahr zu machen, ist nun die nächste Aufgabe, die ansteht. Rückenwind aus Europa, nämlich die offensive und demonstrative Verfolgung der EU-Gleichstellungsstrategie durch das Vorsitzland Deutschland, kann dabei nur helfen. Die Krise wird unsere Gesellschaft verändern, heißt es derzeit vielfach. Bitte zum Besseren – zu einer gerechteren, sozialeren, friedlicheren und klimaverträglicheren Welt. Geschlechtergerechtigkeit ist hier ein zentraler Faktor.