„In der Corona-Krise werden Zustände neu gelabelt und neu gewertet – 'systemrelevant' oder nicht, ist eine Wertungsfrage, die noch vor einem Jahr eher in Fachkreisen als in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wurde. Systemrelevante Arbeit wie Pflege, Sorge, Betreuung, aber auch Dienstleistung wird mehrheitlich von Frauen geleistet. Sie waren in den vergangenen und sind in den kommenden Monaten noch mehr als bisher unter Druck, das haben nicht nur Studien erwiesen, sondern wir alle erfahren. Die so genannten SAHGE-Berufe – Soziale Arbeit, Haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheits- und Erziehungsberufe - brauchen dringend verbesserte Rahmenbedingungen und mehr Wertschätzung, die sich zwingend in einer deutlich besseren Bezahlung ausdrücken muss. Auch die familiäre Sorgearbeit muss endlich gesehen und aufgewertet werden.
Sorgearbeit ist seit Jahrhunderten Sache von Frauen und deshalb auch heute noch vielfach schlecht bezahlt und schlecht ausgestattet. Corona wirkt hier wie ein Brennglas: Es zeigt die Unverzichtbarkeit und den einzigartigen Wert von Care-Arbeit für die Gesellschaft auf und beschleunigt zugleich massiv die Belastung der Pflegenden, Sorgenden, Erziehenden. So sehr die Pandemie und die sie bekämpfenden Maßnahmen Frauen als Sorgende - sei es in der Familie, sei es in den Pflege-, Betreuungs- und Erziehungsberufen – aufs Äußerste fordern, so sehr erwächst daraus auch die Chance: Die Chance, nun wirklich Zustände zu verändern. Care-Berufe angemessen zu werten und zu bezahlen, Arbeitszeitmodelle neu zu gestalten – und überhaupt die Frage von Zeit als Arbeits-, Sorge-, Lebenszeit neu zu stellen. In den vergangenen zwölf Monaten haben sorgende Menschen enorme Aufmerksamkeit erfahren: sie wurden beklatscht, über sie wurde geforscht, sie haben sich selbst zu Wort gemeldet und über ihre Arbeit berichtet – und wurden damit gehört. Diese große Kraft der Basis, die unter dem Druck der Pandemie gewachsen ist, müssen wir nutzen und nun, endlich, die Aufwertung von Care-Arbeit erreichen.
Zu einer Aufwertung von Care-Berufen zählt aus Sicht der ZGF zuerst eine deutlich verbesserte Bezahlung, aber auch Rahmenbedingungen wie familienfreundlichere Arbeitszeitmodelle, Kinderbetreuung auch in den Randzeiten, Entlastung von nicht-pflegerischen Aufgaben, Gesundheitsförderung sowie eine existenzsichernde Bezahlung auch in den geringer qualifizierten Helfer*innenberufen. Auch die Ausbildung in den Erziehungs- und Pflegeberufen muss attraktiver werden. Hierzu zählt eine Vergütung vom ersten Tag an, Ausbildungskapazitäten müssen deutlich erhöht werden, Ausbildung und Weiterqualifikation müssen auch in Teilzeit möglich sein, Quereinstiege sind ebenso nötig wie Aufstiegsmöglichkeiten für Hilfsberufe in dem Bereich. Die in Politik und Fachkreisen geführten Diskurse über eine Neudefinition von Vollzeitbeschäftigung mit 30 oder 32 Wochenstunden muss in praktische Modelle übergehen, die evaluiert werden. Private Aushandlungsprozesse – wer macht wann was und zu welchem Nutzen – müssen stärker beachtet und begleitet werden, hin zu echter Geschlechtergerechtigkeit.“
Der Equal Care Day ist ein bundesweiter Aktionstag, der auf die mangelnde Wertschätzung und unfaire Verteilung von Care-Arbeit hinweist. Dieses Jahr findet er am 1. März statt. Mehr Infos unter www.equalcareday.de