Das von der Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten (ZGF) geleitete „bremer forum frauengesundheit“ hat im Rahmen eines Fachtags Bedarfe von Frauen* und Mädchen* in Bezug auf eine geschlechtersensible Sprachmittlung im Bereich Gesundheit ermittelt und nun konkrete Handlungsempfehlungen formuliert.
Dr. Dr. Mo Urban, Referentin für Gesundheit bei der ZGF: „Wir möchten mit unserer Expertise aus der gesundheitlichen Versorgung fachlich dazu beitragen, dass die Sprachmittlung im Land Bremen verbessert wird. Die Handlungsempfehlungen befassen sich in erster Linie mit den Bedürfnissen von Frauen* und Mädchen*, benennen aber auch grundlegende Aspekte für eine gute Sprachmittlungsinfrastruktur, von der alle Geschlechter profitieren. Denn eine gute Gesundheitsversorgung darf nicht von Sprachkenntnissen abhängig sein.“
Der Handlungsleitfaden steht hier bereit zum Download (pdf, 561.7 KB)
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Geschlechtsspezifische Bedarfe
Für die Sprachmittlung bei etlichen Versorgungsangeboten, etwa in der Frauenheilkunde oder nach erfahrener Gewalt muss eine Übersetzung durch weibliche Dolmetscherinnen sichergestellt sein. Andernfalls kann es zu Mittlungsfehlern kommen, die in der Folge zu einer unzureichenden Versorgung führen. Die im aktuellen Koalitionsvertrag vorgesehene „Flatrate-Sprachmittlung“ für video- und telefonbasierte Sprachmittlung sieht vor, dass bei Anwahl der Dolmetscher*innen Angaben zum Geschlecht gemacht werden können. Diese entscheidende Auswahlmöglichkeit muss für alle Sprachmittlungsangebote, auch für die analogen, verfügbar sein.
Niedrigschwelliger Zugang
Im Gesundheitswesen Beschäftigte brauchen bezahlbare, flexible und direkt zugängliche Sprachmittlung-Angebote, um ihre Arbeit sinnvoll durchführen zu können und gesundheitliche Gleichbehandlung sicherzustellen. Aktuell haben beispielweise niedergelassene Ärzt*innen, Streetworker*innen oder Familienhebammen nur begrenzte Möglichkeiten, Sprachmittlungsangeboten zu nutzen.
Die Zugänge müssen den Bedarfen angepasst sein: In den meisten Fällen bietet sich eine Telefon- und Videodolmetschung an, in anderen Fällen braucht es eine längerfristige Begleitung durch analoge Mittler*innen vor Ort – beispielsweise in therapeutischen Settings. Die Sprachmittlenden benötigen hierfür eine entsprechende Qualifizierung und müssen zudem auf Supervisionsangebote zugreifen können, um langfristig in diesem Bereich arbeiten zu können.
Sichtbare Mehrsprachigkeit
Das Sprachmittlungsangebot im Land Bremen muss einfach zugänglich und leicht verständlich sein. Hilfreich wäre eine zentrale, mehrsprachige Website, die Informationen für die unterschiedlichen Zielgruppen bündelt und die Angebote vorstellt. Angaben über Geschlecht und benötigte Zusatzqualifikationen der Sprachmittelnden – etwa LGBTQIA+-Sensibilität – sollten auf der Website anwählbar sein. Sprachmittlung ist jedoch nur ein Aspekt für eine bessere Verständigung: Wichtige Gesundheitsinformationen und Dienstleistungen, wie etwa die telefonische Termin-Servicestelle, müssen ebenfalls mehrsprachig aufgestellt werden.
Fortbildungen für medizinische und therapeutische Fachpersonen
Fachkräfte in den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens wissen mitunter nicht, wie eine gute Sprachmittlung erfolgen kann. Es braucht daher gezielte Fortbildungen und Schulungen für das medizinische und therapeutische Personal, für Hebammen, Streetworker*innen und weitere. Wichtige Themen wären Vor- und Nachteile von Online- und Analog-Mittlungsangeboten sowie Herausforderungen der Dreiecksbeziehung von Sprachmittler*in, Klient*in und Fachperson. Zudem könnten Anreize – beispielsweise durch Fortbildungspunkte oder durch eine Anerkennung als Bildungszeit – für entsprechende Angebote geschaffen werden.
Sprachmittlung in multilingualen Teams
In Praxen, Krankenhäusern, Apotheken sowie gesundheitsbezogenen Anlaufstellen und Projekten findet eine Sprachmittlung teilweise bereits durch mehrsprachige Teams statt. Diese Mittlungstätigkeiten der Beschäftigten im Gesundheitswesen werden jedoch meist nicht als Arbeit anerkannt, sondern finden zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben statt. Um den Anforderungen einer guten Versorgung für alle gerecht zu werden, sollte daher eine Entlastung von der ursprünglichen Arbeit erfolgen. Angebote zur Weiterqualifizierung und zur Supervision der Mittlungsarbeit würden außerdem die Qualität der Versorgung verbessern.