Am 28. Mai ist der internationale Tag der Frauengesundheit. Aktuell befinden wir uns noch mitten in der Corona-Pandemie. Die Auswirkungen auf die Gesundheit sind für Frauen und Männer unterschiedlich. Bereits bestehende Ungleichheiten verschärfen sich. Zwar erkranken im Durchschnitt mehr Männer als Frauen an Corona und auch die Todesrate ist bei Männern höher. Bestimmte Gruppen von Frauen sind pandemiebedingt jedoch einem höheren gesundheitlichen Risiko ausgesetzt.
Ob als Kassiererin im Supermarkt, als Krankenschwester, Altenpflegerin, Hebamme oder Erzieherin im Kindergarten, es sind viele Frauen, die während der Corona-Pandemie unser System am Laufen halten und sich dabei schwerer vor Corona schützen können. Besonders belastet durch die Gesundheitskrise sind die Arbeitnehmer:innen in Pflegeheimen, ambulanten und stationären Einrichtungen, in Gesundheitszentren, Mädchen- und Frauenhäusern sowie Anlauf- und Beratungsstellen. Bis zu 85 Prozent des Personals sind dort weiblich. In unseren Supermärkten sitzen zu 90 Prozent Frauen an den Kassen. Trotz des vielen Kundenkontaktes bekommen Mitarbeiter:innen des Lebensmitteleinzelhandels in Bremen erst ab Juni 2021 ein Impfangebot.
Homeschooling, Schließung von Kindergärten oder Pflege von Angehörigen: Neben der Erwerbstätigkeit müssen viele Frauen die durch die Pandemie verstärkt anfallende Sorgearbeit übernehmen. Schon vor Corona stemmten Frauen den größten Teil davon. Die Schere hat sich durch die Pandemie weiter geöffnet. Zwar beteiligen sich auch Männer an der Kinderbetreuung, doch zu rund 70 Prozent sind es Frauen, die den Mehraufwand auffangen. Besonders hart trifft die Krise Alleinerziehende, die die Sorgearbeit aktuell häufig alleine leisten müssen. Die durch den Spagat zwischen Beruf und Betreuung anfallende Mehrbelastung führt bei vielen Frauen zu mehr Stress und beeinträchtigt ihre psychische Gesundheit.
Leider haben sich die Befürchtungen in Bezug auf häusliche Gewalt während der Corona-Krise bestätigt. Die aktuellen Kriminalstatistiken der Bundesländer belegen den Anstieg der Fallzahlen. Im Land Bremen wird er für das Jahr 2020 auf rund 16 Prozent beziffert. Die Frauenhäuser in unserem Land sind entsprechend ausgelastet und stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Auch das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ verzeichnete für das Jahr 2020 deutlich mehr Beratungen. Sie stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent.
Schon jetzt decken die angebotenen Therapieplätze nicht den Bedarf. Die Wartelisten vieler Praxen und stationärer Einrichtungen sind voll und die Wartezeiten auf einen Platz liegen bei bis zu neun Monaten. Es zeichnet sich zudem ab, dass mit weiteren Corona-Lockerungen weitere Bedarfe sichtbar werden. Mit den aktuellen Kapazitäten können sie nicht bedient werden. Die thematische Spannbreite reicht dabei von Mädchen mit Essstörungen zu Frauen mit Gewalterfahrungen bis hin zu Altenpflegerinnen mit Burnout-Syndromen.
Nicht nur im Bereich der Psychotherapie fehlt es an Angeboten, auch in anderen Bereichen gab und gibt es Defizite. Beispielsweise zählten Schwangerschaftsabbrüche in Krankenhäusern zu den verschiebbaren Eingriffen und wurden daher als nachrangig eingestuft. Für die betroffenen Frauen lief die Zeitspanne für einen möglichen Abbruch ab. Die Lage für ungewollt Schwangere verschärfte sich zudem dadurch, dass andere Einrichtungen aufgrund von Infektionsschutzkonzepten eingeschränkte Kapazitäten hatten und Frauen abweisen mussten. Auch gewollt Schwangere stehen vor zusätzlichen Herausforderungen: Die Betreuung in der Schwangerschaft und im Wochenbett findet vielfach nur noch telefonisch oder telemedizinisch statt. Die psychosoziale Mutter-Kind- und Schwangerenbetreuung sowie Prävention von postparentalen Depressionen sind aktuell nur eingeschränkt verfügbar.
Die Krise machte den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen deutlicher denn je sichtbar: es fehlen unter anderem Hebammen für Hausgeburten und in Kliniken, Altenpfleger:innen in ambulanten und stationären Einrichtungen sowie Psychotherapeut:innen. Deshalb fordern Berufsverbände eine nachhaltige Lösung des Fachkräftemangels. Hierfür bedarf es der Schaffung von guten Arbeitsbedingungen, damit Fachkräfte langfristig ihren Beruf ausüben können. Ebenso besteht für Beratungsstellen und Gesundheitszentren die Notwendigkeit, neue Projekte zu entwickeln, mit der die physische, psychische und soziale Gesundheit zielgruppengerecht unterstützt werden kann. Hierfür benötigen die Einrichtungen weitere finanzielle Mittel.