Im Rahmen der Umsetzung des Bremer Landesaktionsplans "Istanbul-Konvention umsetzen – Frauen und Kinder vor Gewalt schützen" hat jetzt erstmals das jährliche Austauschtreffen der verschiedenen Institutionen und Ressorts stattgefunden. Neben dem Ressort der Frauensenatorin und der Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten haben Fachberatungsstellen, der Betroffenenbeirat Istanbul-Konvention, Aktivistinnen und die gleichstellungspolitischen Sprecherinnen der Fraktionen teilgenommen und informierten sich über den Stand der einzelnen Projekte, die nach der Verabschiedung des Landesaktionsplan im März 2022 nun ausgestaltet werden.
Den Runden Tisch beruft die Landeskoordinierungsstelle Istanbul-Konvention ein, um in der Umsetzungsphase den Fortschritt der Maßnahmen-Umsetzung zu diskutieren und mit einem Themenschwerpunkt voranzubringen. In dieser Woche trat der Runde Tisch erstmals im Forum K des Rotes-Kreuz-Krankenhauses in der Bremer Neustadt mit dem Themenschwerpunkt "Verbesserung der Akutversorgung durch eine Gewaltschutzambulanz" zusammen. Claudia Bernhard, Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz: "Der Runde Tisch ist ein wichtiges Instrument, damit wir die Fortschritte der Maßnahmenumsetzung im Blick behalten. Es kommt nicht häufig vor, dass wir so langfristige Projekte haben, die den gesamten Senat beschäftigen. Daher bin ich sehr dankbar, dass wir bei diesem wichtigen Thema eng mit den Vertreterinnen und Vertretern aus den Ressorts, dem Betroffenenbeirat, der Zivilgesellschaft, Politik und Fachberatungsstellen zusammenarbeiten und die Maßnahmen voranbringen", so Claudia Bernhard, Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz.
Im ersten Teil der Veranstaltung berichteten Referentinnen der Ressorts und der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) über den aktuellen Stand der Maßnahmen aus den Bereichen Frauen, Gesundheit, Soziales, Justiz und Inneres. Nach der Vorstellung der einzelnen Maßnahmen kommentierten Mitglieder des Betroffenenbeirats die vorgestellten Projekte und gaben wichtige Hinweise. Dabei betonten sie, dass es wichtig sei, die Beschäftigten der verschiedenen Institutionen wie Schulen, Polizei und Gesundheitswesen im Umgang mit Betroffenen von Gewalt zu schulen. Insbesondere müsse eine psychologische Beratung gerade für Kinder und Jugendliche nach traumatischen Erlebnissen schnell verfügbar sein, um Langzeitfolgen zu vermeiden. "Die Empfehlungen und Hinweise des Betroffenenbeirats sind uns sehr wichtig, damit wir den Bedarf der Betroffenen zu keinem Zeitpunkt aus dem Blick verlieren. Der Betroffenenbeirat in Bremen ist bisher einzigartig in der Bundesrepublik und es ist mir sehr wichtig, dass wir nicht über Betroffene sprechen, sondern mit ihnen ", so Claudia Bernhard.
"Die Einrichtung einer Gewaltschutzambulanz schließt eine bisherige Lücke im Hilfesystem unseres Bundeslandes. Sie ist zudem ein außerordentlich wichtiger Baustein zur Umsetzung der Gesamtstrategie für eine gleichberechtigte und gewaltfreie Gesellschaft. Menschen die Gewalt erfahren haben, erhalten dort beispielsweise eine spezialisierte Erstversorgung, Beratung sowie eine Sicherung der Spuren, die gegebenenfalls später für Gerichtsverfahren verwendet werden können", sagte Bettina Wilhelm, Bremens Landesfrauenbeauftragte.
Dr. Saskia Etzold, Leiterin der Gewaltschutzambulanz an der Charité Berlin, berichtete in ihrem Vortrag über die Erfahrungen in Berlin. "Häusliche Gewalt kann tödlich enden. Daher ist es unsere Aufgabe in der Gewaltschutzambulanz an der Charité, die Verletzungen sorgfältig schriftlich zu dokumentieren und zu fotografieren. Wir geben den Betroffenen dadurch die Möglichkeit, dass sie vor Gericht mit rechtsmedizinischen Dokumentationen nachweisen können, dass die Verletzungen zum Beispiel nicht etwa durch einen Treppensturz entstanden sind, sondern durch einen Faustschlag verursacht wurden", sagte Etzold. Die Betroffenen können selbst entscheiden, was mit der Dokumentation der Verletzungen geschieht. Sie können sich die Unterlagen zuschicken lassen oder an Dritte (beispielsweise Anwälte oder Polizei) oder auch angeben, dass die Unterlagen bis zu zehn Jahre in der Gewaltschutzambulanz verbleiben, falls sie sich erst zu einem späteren Zeitpunkt dazu entscheiden, Anzeige zu erstatten.
Dr. Andrea Bronner, Geschäftsführende Krankenhausdirektorin Klinikum Bremen-Mitte berichtete über den aktuellen Stand zur Umsetzung der geplanten Gewaltschutzambulanz am Klinikum Bremen Mitte, die – im Gegensatz zur Gewaltschutzambulanz in Berlin – auch eine 24 Stunden-Betreuung und neben der anonymen Spurensicherung und weiteren Behandlungswegen auch eine Akutversorgung der Betroffenen anbieten möchte. Geplant ist eine Eröffnung der Gewaltschutzambulanz im Frühjahr 2024.
Nach Vorstellung der einzelnen Schwerpunkte stand dann die Schaffung einer zentralen Gewaltschutzambulanz am Klinikum Bremen-Mitte im Fokus des Runden Tisches.
Der Betroffenenbeirat wies unter anderem noch einmal auf die Notwendigkeit eines barrierefreien Zugangs hin und betonte, wie wichtig die Einbindung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern ist, um die ohnehin schon extrem schwierige Situation für Betroffene ohne oder mit nur wenig Kenntnis der deutschen Sprache zu erleichtern. Zum Abschluss bemerkte der Betroffenenbeirat, dass gerade in Krisenzeiten geschlechtsspezifische Gewalt rapide zunehme, wie die letzten Jahre der Corona-Pandemie gezeigt hätten, und appellierten an die Politik in der derzeitigen Finanz-, Kriegs- und Klimakrise die Vorhaben finanziell nicht zu kürzen.
Weitere Informationen zum Landesaktionsplan und seiner Umsetzung finden Sie hier: www.bremen-sagt-nein.de