„Der Kompromiss ist faul: nach über einem Jahr politischem Hin und Her wird eine Entscheidung als Verbesserung verkauft, die de facto keine ist. Die noch auszuformulierende Regelung, dass Ärztinnen und Ärzte darauf hinweisen können, dass sie Abbrüche vornehmen, ändert nichts an der Macht des Paragrafen 219a. Er bleibt bestehen und bedroht Ärztinnen und Ärzte mit Strafe schon dann, wenn sie über ihre Arbeit sachlich informieren. Auch die weiteren Vorschläge machen die Sache nicht besser. Besonders absurd ist die Idee einer Studie zu den seelischen Folgen des Schwangerschaftsabbruchs – die gibt es nämlich längst. Schon 2017 hat eine Untersuchung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung widerlegt, dass es das so genannte 'Post-Abortion-Syndrom' gibt.
Wir haben schon heute ein deutliches Versorgungsproblem. Bleibt Paragraf 219a, wird dieses Problem größer und Unterversorgung nimmt zu. Frauen, die einen Abbruch erwägen, sind ohnehin in Not – und unter Zeitdruck. Durch die drohende Mangelversorgung geraten sie noch mehr in Bedrängnis. Das verantwortet die Bundesregierung. Mit dem verquasten Kompromiss wird kein Arzt und keine Ärztin zu überzeugen sein, ihre Tätigkeit bekannt zu geben.
Es ist erschreckend, dass wir nicht nur in der Debatte, sondern auch in der Praxis wieder dort stehen, wo die Frauengesundheitsbewegung in den 70er Jahren begonnen hat. Weil der Schwangerschaftsabbruch kaum noch gelehrt wird, müssen Medizinstudierende heute selbst Fortbildungen organisieren. Hut ab für dieses Engagement! Knapp 50 Jahre ist es her, dass sich Frauen auf den Weg gemacht haben, ihr Recht auf Selbstbestimmung durchzusetzen. Mit der Gründung von Selbsthilfegruppen und Frauengesundheitszentren erkämpften sie sich den Zugang zu ihrem eigenen Körper und zu Selbstbestimmung. Ich hätte nicht gedacht, dass wir im 21.Jahrhundert in Deutschland auf diesen Stand zurückfallen würden.
Es hilft alles nichts. Der Kompromiss trägt nicht. Das alte Ziel ist auch das neue: Paragraf 219a muss weg!"